Ich war 1968 im Alter von knapp fünf Jahren für sechs Wochen „verschickt“ in einem Kindererholungsheim im Cuxhavener Stadtteil Duhnen. Die Erinnerungen sind sehr bruchstückhaft, um so mehr sind die wenigen Bilder ins Gedächtnis eingebrannt.
Leider war ich ziemlich zu Beginn an den Windpocken erkannt – das wurde hier in den Kommentaren ja schon mehrfach geschildert … Bei mir hat die Genesung offenbar recht lange gedauert, genaues weiß ich nicht mehr; gefühlt war ich drei von den sechs Wochen krank.
Ich erinnere mich sehr deutlich an eine Wanderung mit der Gruppe: Nach meiner Genesung ging es auf dem Deich an der Küste entlang. Ich muss wohl noch recht geschwächt gewesen sein, so dass ich bei starken Gegenwind nicht mithalten konnte. Hilfe oder Trost erhielt ich nicht, im Gegenteil: Ich wurde von den Betreuerinnen ungeduldig ermahnt, mich nicht so anzustellen. Ich konnte nur mit größter Anstrengung ein Bein vors andere setzen, so sehr ich mich auch gegen den Wind stemmte, und kämpfte verzweifelt darum, nicht den Anschluss zur Gruppe zu verlieren. Schöner Stoff für wiederkehrende Alpträume …
Zweite Szene: Wir Kleinen mussten Mittagsschlaf halten, ob wir wollten oder nicht. Der Schlafsaal mit vielen Stahlrohrbetten war nur vereinzelt belegt. Unter meinem Bett wurde menschlicher Kot gefunden, und ich als vermeintlicher Verursacher (sprich: zu Unrecht beschuldigter) bekam Handfeger und Schaufel in die Hand gedrückt. Vor allen Kindern musste ich unters Bett kriechen und die Kackwurst beseitigen. Dass ich dies als ungerecht und zutiefst entwürdigend empfunden habe, muss ich wohl nicht betonen.
Dritte und letzte Szene: Meine Mutter holt mich am Hamburger Hauptbahnhof ab. Ich freue mich, dass sie meine Lieblingsspeise vorbereitet hat. Fortan bin ich kein „schlechter Esser“ mehr – zumindest ein Erfolg der Maßnahme, denn nun ist mir offenbar bewusst, wie gut ich es zu Hause habe.
Nach zwei Fehlgeburten bekomme ich wenige Monate später ein Brüderchen, im Jahr darauf noch eines. Falls meine Abwesenheit entlastend hierzu beigetragen haben sollte, so erhält diese Erfahrung wenigstens diesen Sinn. Wenn auch um den möglichen Preis langfristiger gesundheitlicher und psychischer Kosten – das ist natürlich spekulativ, ließe sich aber durchaus noch detaillieren.
Ach, und als meine Mutter ein paar Jahre später mir gegenüber äußerte, eventuell auch meine kleinen Brüder „verschicken“ zu wollen, soll ich ernst und bestimmt gesagt haben: „Tu das nicht, Mami. Tut – das – nicht!“ Meine Eltern waren beeindruckt und haben meinen Rat befolgt.
Ich bin interessiert an einem Berliner Vorbereitungstreffen teilzunehmen.